Glossar: Fachbegriffe aus HR & Recruiting
Der Begriff Proximity Bias, oft auch Distance Bias (zu Deutsch etwa „Näheverzerrung“) genannt, beschreibt das psychologische Konzept der instinktiven Bevorzugung von Menschen, die sich in unserer (physischen) Nähe befinden.
Am Arbeitsplatz kann eine so verzerrte Wahrnehmung dazu führen, dass einige Personen bevorzugt und andere ausgeschlossen oder benachteiligt werden.
Der Proximity Bias kann sich unbemerkt auf die Arbeitskultur eines Unternehmens auswirken und verändern, wie stark einige Mitarbeiter:innen z. B. in Entscheidungen einbezogen oder vom Team ausgeschlossen werden.
Im Folgenden erklären wir, was diese Form der Voreingenommenheit beinhaltet, was sie für Unternehmen bedeuten kann und was man dagegen tun kann.
In der Sozialpsychologie bezieht sich der Begriff „Proximity Bias“ auf das Prinzip, dass Menschen, die sich räumlich nahe sind, mit größerer Wahrscheinlichkeit eine Beziehung zueinander aufbauen als Menschen, die weiter voneinander entfernt sind.
Nach diesem Prinzip entsteht etwa zwischen zwei Personen, die dicht beieinander sitzen („Schreibtischnachbarn“) eine stärkere Bindung, als mit Personen, die auf der anderen Seite des Raumes arbeiten.
Der Proximity Bias kann sich aber auch auf kultureller Ebene abspielen. So wurde in einer Studie festgestellt, dass die Kampfrichter bei einer Weltmeisterschaft im Skispringen dazu neigten, Teilnehmer:innen mit dem gleichen kulturellen Hintergrund wie sie selbst besser zu bewerten.
Somit kann Nähe (proximity) auf viele Arten interpretiert werden und sich auf viele zwischenmenschliche Aspekte beziehen. Sozialpsychologen nennen zwei Hauptgründe dafür, dass Menschen eher mit Menschen in ihrer Nähe als mit weiter entfernten Personen Gruppen bilden:
Bitte beachten:
Das Näheprinzip führt nicht immer zu einer positiven Beziehung zwischen zwei Parteien. Das heißt, es kann ebenso dazu führen, dass zwei Menschen eher Abneigung gegeneinander als eine freundschaftliche Bindung entwickeln.
Wenn man jedoch von einem arbeitsplatzbezogenen Proximity Bias spricht, liegt der Schwerpunkt normalerweise auf positiven Beziehungen zu den Menschen in räumlicher Nähe.
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Der Proximity Bias schleicht sich also auch am Arbeitsplatz ein und bewirkt, dass zwei Kolleg:innen, die im selben Raum sitzen, wahrscheinlich eine engere Bindung zueinander aufbauen als zwei Kolleg:innen, die auf gegenüberliegenden Seiten des Büros sitzen.
Das ist ganz natürlich und muss nicht zwingend etwas Schlechtes sein. Ähnlich kann auch der kulturelle (oder jede andere Form von) Proximity Bias am Arbeitsplatz auftreten und ist nicht unbedingt ein positiver oder negativer Indikator.
So könnten z. B. auch autistische Mitarbeiter:innen innerhalb eines Teams möglicherweise aufgrund ihrer gemeinsamen Erfahrung eine stärkere Bindung untereinander aufbauen als zum Rest des Teams.
Der Proximity Bias muss sich aber nicht zwangsläufig auch auf die Leistung dieser Mitarbeiter:innen oder anderer Teammitglieder auswirken.
Er kann sich jedoch auf die Unternehmenskultur und die Zusammenarbeit eines Teams auswirken. Und das kann letztlich zu einem Problem werden, mit dem man sich auseinandersetzen muss.
Das gilt insbesondere dann, wenn die Nähe der einen zum Ausschluss (oder sogar zur Diskriminierung) der anderen führt. Denn das kann den Status der Vielfalt, Gleichstellung und Inklusion (DEI) in Ihrer Organisation empfindlich beeinträchtigen.
Darüber hinaus hat das Thema Proximity Bias am Arbeitsplatz in letzter Zeit insofern viel Aufmerksamkeit erregt, als immer mehr Unternehmen ihr Arbeitsmodell auf hybrides Arbeiten oder Remote-Arbeit umstellen.
In diesem Zusammenhang laufen insbesondere Remote-Mitarbeiter:innen Gefahr, vom Entscheidungsprozess ausgeschlossen zu werden, weil sie nicht physisch anwesend sind, wenn die Entscheidungen von ihren Kolleg:innen im Büro getroffen werden.
Weiterhin haftet Remote-Mitarbeiter:innen allzu häufig das Stigma an, weniger produktiv zu sein und schlechtere Ergebnisse zu liefern, wenn sie nicht physisch im Büro anwesend sind.
Eine Studie der Stanford University hat sogar ergeben, dass Mitarbeiter:innen, die von zu Hause aus arbeiten, seltener befördert werden als Mitarbeiter:innen, die im Büro arbeiten.
Wir haben oben bereits einige Nachteile des Proximity Bias angedeutet. Werfen wir nun also noch einen Blick auf die wichtigsten Gründe, warum Unternehmen dieses Phänomen ernst nehmen sollten.
Studien belegen, dass die Kluft zwischen Büro- und Remote-Mitarbeiter:innen oft parallel zu bestimmten kulturellen und geschlechtsspezifischen Unterschieden verläuft.
Gleichzeitig nimmt die Homogenität zu, was sich wiederum negativ auf die finanzielle Performance des Unternehmens auswirken kann.
Und wie kann man dem vorbeugen? Das erklären wir direkt im nächsten Abschnitt.
Wie bei den meisten (unterbewussten) kognitiven Neigungen kann es schwierig sein, die Näheverzerrung zu überwinden. Das heißt aber nicht, dass es unmöglich ist.
Der wichtigste Weg, um das zu erreichen, ist, sich auf die Schaffung einer Unternehmenskultur zu konzentrieren, die Vielfalt, Gleichstellung und Inklusion fördert.
Hier sind 5 Tipps, wie Unternehmen den Proximity Bias ihrem Team reduzieren können (mit Links zu weiterführenden Informationen, die dabei helfen):
So wird Diversität am Arbeitsplatz gefördert und die Wahrscheinlichkeit der Gruppenbildung durch die Näheverzerrung gesenkt.
Das stellt sicher, dass jede:r die gleiche Chance hat, an den Unternehmensprozessen und der Entscheidungsfindung teilzuhaben, unabhängig davon, wo er oder sie hauptsächlich arbeitet.
Das fördert die Akzeptanz und den Aufbau von Beziehungen zwischen Teammitgliedern mit unterschiedlichem Hintergrund, anstatt Mitarbeiter:innen aufgrund ihres (unbewussten) Proximity Bias in Gruppen einzuordnen.
Eine solche Kultur fördert nicht nur den freien Fluss von Ideen und Informationen, sondern auch die offene Kommunikation zwischen allen Teammitgliedern und stärkt so den Zusammenhalt im Team.
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